Wir die Islamische Föderation in Wien haben uns heute vor der syrischen Botschaft versammelt, um unseren Standpunkt über die jüngsten tragischen Ereignisse in Syrien kundzutun.
In Aleppo ist die Menschlichkeit gestorben. Die Lebenden warten auf den Tod. Und worauf warten wir, wenn wir untätig zuschauen? Welchem unserer Werte oder Menschenrechtsideale entspricht dieses Nichtstun?
Das, was in Aleppo geschieht, kann man nicht in Worte fassen. Und dennoch sind es nur Worte, die wir in die Welt setzen. Die UN-Menschenrechtskommission spricht von einem „Wegschmelzen jeglicher Humanität“. Andere berichten von „unsäglichen Grausamkeiten“ im Stundentakt.
Das sind Worte, die unsere Ohnmacht zum Ausdruck bringen. Das sind Worte, die unsere Schande überdecken sollen. Das sind Worte, die niemandem helfen. Sie helfen weder den Menschen in Not, noch werden sie uns helfen, unsere Gewissen zu beruhigen. Angesichts der humanitären Katastrophe in Aleppo sind Worte eindeutig zu wenig. Die Menschen brauchen tatkräftige Hilfe und Unterstützung.
Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und alle anderen Kräfte auf internationaler Politbühne werden sich von dieser Verantwortung nicht freisprechen können. Sie stehen in der Pflicht. Aber auch wir, jeder einzelne von uns, stehen in der Pflicht, auf die universellen Menschenrechte zu erinnern und auf deren Durchsetzung zu drängen.
Das, was in Aleppo geschehen ist und weiter geschieht, ist ein Schandfleck für uns alle. Dort müssen Eltern zusehen, wie ihre Kinder sterben; Kinder müssen ertragen, wie ihre Eltern von jetzt auf gleich in den Tod gerissen werden. Hinzu kommen menschenunwürdige Umstände. Die Menschen müssen ohne Essen, ohne sauberes Wasser auskommen und in klirrender Kälte im Freien übernachten. Es ist so weit, dass die Überlebenden die Toten beneiden.
Und was haben wir, unsere Regierung und unsere internationalen Vertretungen seit Beginn des Krieges in Syrien getan? Sie haben beraten, diskutiert, besprochen, verhandelt – nicht für die Menschen in Not, sondern gegen sie. Sie haben Mauern hochgezogen und Fluchtwege versperrt, damit sie bloß nicht zu uns kommen. Für Aleppo gab es bisher nur Apelle.
Diese Politik ist ein Grund, sich in Grund und Boden zu schämen. Das tun wir. Wir schämen uns in Grund und Boden – für uns selbst, unsere Regierung und internationalen Vertreter. Unser Nichtstun war nicht weniger grausam und brutal als die Kämpfe in Aleppo.
Wir wollen unsere universellen Menschenrechte zurück. Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Mit diesem Satz beginnt die Menschenrechtscharta. An der Durchsetzung und Umsetzung dieses Satzes wollen wir uns selbst, unsere Regierung und Vertretungen messen – überall auf der Welt.
Aleppo soll ein Mahnmal sein. Es gibt viele Brandherde. In Myanmar, in Afghanistan und in vielen anderen Regionen der Welt steht die Menschlichkeit vor einer Bewährungsprobe. Millionen Menschen sind auf der Flucht vor Kriegen, Armut und Hunger. Die, die nicht fliehen, warten auf den sicheren Tod. Es liegt an uns, unserer Regierung und unseren Vertretungen, etwas dagegen zu tun.