Islam-Vereine helfen mit Notquartieren, Sachspenden und ehrenamtlicher Arbeit. Glaubensgemeinschaft gründet ihre eigene „Caritas“.
Kritiker behaupten gern, die österreichischen Muslime würden zu wenig für Flüchtlinge tun. Dass das nicht stimmt, zeigt ein KURIER-Lokalaugenschein: Muslimische Vereine öffnen in Kooperation mit Innenministerium, Ländern und NGOs ihre Moscheen als Notquartiere und versorgen die Menschen auf den Bahnhöfen mit Nahrung und Kleidung. Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) hat mit dem Verein Hilal außerdem ihre eigene „Caritas“ gegründet.
Deren Hauptaufgabe ist zurzeit die Vernetzung. „Das größte Problem ist momentan, dass die Information, wo welche Art von Hilfe benötigt wird, zeitverzögert bei den Helfern ankommt“, erklärt Chef-Koordinator Mohamed Samir Safour. In seinem Büro laufen die Informationen zusammen: Wo werden aktuell Notquartiere, Sachspenden oder Dolmetscher gebraucht? Und wer bietet das eine oder das andere gerade an?
Zudem sammelt Hilal Geld – aktuell etwa, um dringend benötigte Unterwäsche für Flüchtlinge zu besorgen.
Ungewissheit nimmt zu
Aber auch an anderer Stelle wird geholfen. Die Islamische Föderation Wien etwa (die zuletzt mit der geplanten Imam-Schule in Simmering Schlagzeilen machte) stellte in den vergangenen zwei Wochen Notquartiere für 5000 Flüchtlingen bereit.
Zum einen öffnete man dafür Moscheen in Favoriten und Hernals. Zum anderen wurde eine Lagerhalle im 11. Bezirk adaptiert, die rund 400 Menschen Platz bietet. Im Schichtbetrieb leisten Vereinsmitglieder in ihrer Freizeit ehrenamtliche Hilfe.
Eigentlich wollte man die Flüchtlinge jeweils nur für eine Nacht unterbringen, bevor sie ihre Reise fortsetzen. Dafür stellt das Rote Kreuz Feldbetten und medizinische Betreuung zur Verfügung, türkische Geschäfte und Privatpersonen spenden Lebensmittel.
„Ein paar Wochen können wir vielleicht noch so weitermachen“, sagt Obmann Mehmet Arslan. Wie es allerdings weitergehen soll, wenn die Grenze nach Deutschland, wohin die meisten Flüchtlinge wollen, dicht bleibt, weiß hier niemand.
Die Problematik kennt auch die türkische Föderation, die in einer Halle in der Donaustadt seit Tagen rund 600 Menschen beherbergt.
Start in Bad Vöslau?
Bei der türkischen ATIB zeigt man sich ebenfalls bereit, einen Teil der bundesweit 65 Moscheen als Notquartiere zu öffnen. „20 würden die infrastrukturellen Voraussetzungen erfüllen“, sagt Sprecher Selfet Yilmaz. Einen Anfang könnte die Moschee in Bad Vöslau machen. Zurzeit wartet man auf das Okay des Landes NÖ.
Zudem bringt ATIB täglich Nahrungsmittel nach Traiskirchen.
Diese Art von Hilfe leistet auch das von Saudi-Arabien gegründete Islamische Zentrum. „Wir haben 30.000 Sandwiches zum Westbahnhof gebracht und liefern Sachspenden mit Lkw an die österreichisch-ungarische und die ungarisch-serbische Grenze“, sagt Imam Salim Mujkanovic. Es sei auch nicht ausgeschlossen, Österreichs größte Moschee in Floridsdorf als Notquartier zu öffnen, so man von offizieller Seite gebeten werde.
Ehrenamtlich tätig ist man bei der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ). Junge Leute, wie Studentin Jasna (24), helfen auf den Wiener Bahnhöfen, in Pfarren sowie in Traiskirchen mit. Sie dolmetschen, verteilen Essen und betreuen Flüchtlingskinder.
Und auch die Initiative Muslimischer Österreicher (IMÖ) ist aktiv. Täglich werden auf dem Westbahnhof Kaffeejausen zubereitet und Arabisch sowie Farsi übersetzt.
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